Revolution in Narubien!?
Narubien - ein wunderschöner Inselstaat in einem der Weltmeere. Auf der einen Seite von einem Gebirgszug umgeben, auf der anderen Seite mit wunderschönen Sandstränden. Die Hauptstadt Metropolien liegt ganz im Nordwesten und ist das touristische Zentrum der Insel, die jedes Jahr unzählige Touristen aus der ganzen Welt anzieht. Sie kommen zum Wandern, zum Schwimmen, zum Relaxen. Narubien lebt vom Tourismus.
Oder besser gesagt: lebte. Seit der großen Wirtschaftskrise vor einem Jahr steht es um die einstige Trauminsel schlecht. Unzählige Menschen haben ihre Arbeit verloren. Die regierende "Partei für Fortschritt und Entwicklung" (PEF) hat dafür einen klaren Schulidgen ausgemacht: die Langzehen - das sind die Einwohner Narubiens, die Zehen mit mehr als 6cm Länge haben. Sie sind die Minderheit in Narubien und so doppelt hart getroffen, denn die Mehrheit der Bevölkerung sind Kurzzehen. Auch im Alltag erfahren die Langzehen Demütigen und Ausgrenzung, z.B. beim Einkauf auf dem Markt oder im ÖPNV. Für die PEF und deren Koalitionspartner, die NfA, gibt es nur eine Option: die Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Ihre Argumentation: Wenn sich die Langzehen nicht mehr treffen, dann können sie auch keine Beschwerden mehr kundtun und nicht mehr für Unruhe sorgen. Dass dies die Langzehen nicht so einfach hinnehmen, scheint offensichtlich. Aber haben sie überhaupt eine Chance, sich der staatlichen Ausgrenzung zu entziehen? Kann die Presse helfen? Und gibt es Rückhalt von anderen Parteien oder den anderen Mitbürgern Narubiens? In einer Pressekonferenz treffen alle aufeinander und es soll sich zeigen, wie wichtig Freiheit, Meinungsäußerung und Akzeptanz für die Beteiligten sind.
Dies war, kurz umrissen, das Szenario eines Planspiels, das wir am 02.07.2024 im "Haus des Erinnerns - für Demokratie und Akzeptanz" in Mainz durchführten.
Aber ist dies nur ein Problem im fiktiven Narubien? Ein Blick in Zeitungen und das Internet zeigen: leider nein. Die Problematik gibt es im Alltag - im Kleinen, im Hier und Jetzt, und auch im großen Europa. Damit haben wir uns an den anderen Tagen beschäftigt.
Bericht und Reflexion zum Tag (von Emma)
Wir fuhren am Morgen mit dem Zug nach Mainz ins Haus des Erinnerns. Dort haben wir uns mithilfe von drei Planspielen mit Ausgrenzung auf alttäglicher und auf staatlicher Ebene beschäftigt.
Nachdem wir im Haus des Erinnerns angekommen waren, erhielten wir eine Einführung, in welcher die Umstände der bevorstehenden Planspiele erläutert wurden. Wir befanden uns demnach in der Hauptstadt namens Metropolien des fiktiven Landes Narubiens, welches sich aufgrund der vorherrschenden ökonomischen Rezession in einer Existenzkrise befand. Die Partei PEF macht nun die langzehige Bevölkerung dafür verantwortlich und bezichtigt diese des Faulseins. Dadurch kommt es zu innerpolitischen Konflikten und zivilen Aufständen.
Neben der PEF gab es die PSG, welche politisch zentral orientiert war und eine Koalition mit der PEF geschlossen hatte. Zusätzlich zu den genannten Parteien gab es ebenfalls die NFA, welche politisch links orientiert war und sich mit initiierten Protesten für die Gleichberechtigung von lang- und kurzzehigen Personen einsetzten. Diese gegensätzlichen Überzeugungen führen nun zu einer instabilen politischen Lage.
Im ersten Planspiel waren die unterschiedlichen Charaktere mit einer situativen Diskriminierung innerhalb eines Busses konfrontiert. Hierbei griff eine kurzzehige Person unbegründet eine langzehige Person an, nachdem die angeblich den für sie bestimmten Platz innerhalb des Busses übernommen habe und beschuldigte diese unterdessen auch ihren Arbeitsplatz gestohlen zu haben. Mehrere Personen beteiligten sich im Verlauf der Szene mit individuellen Intentionen und Hintergründen an der Auseinandersetzung. Der Freiraum zur Expression der verschiedenen Charaktere war durch die Möglichkeit zur Improvisation gegeben. Dadurch kamen diverseste Interpretation der Situationen und Interaktionen zum Vorschein. So eskalierte das Planspiel beispielsweise bei einigen Gruppen, andere wiederum absolvierten die Situationen auf vergleichsweise ruhig. Eskalationen waren besonders ausgeprägt während der Situationen auf dem Marktplatz im zweiten Planspiel. Hierbei kam es erneut zur Diskriminierung Langzehiger durch Verkäufer an Ständen.
Nach der Mittagspause fanden sich alle Beteiligten wieder in dem Haus des Erinnerns ein, um mit dem dritten Planspiel fortzufahren, welches durch eine Parodie einer Pressekonferenz die Ausgrenzung auf staatlicher Ebene darstellte. Das primäre Thema der Pressekonferenz bestand in der kontroversen Diskussion um das Versammlungsverbot, hervorgerufen durch gewalttätige Ausschreitungen der Protestierenden im Konflikt zwischen Lang- und Kurzzehigen.
Während der Pressekonferenz kam es vorwiegend zu einem geregelten und seriösen Schlagabtausch zwischen den Organen der Pressekonferenz (die Regierungsparteien, Presseorgane und Zuschauer). So konnte realistisch der Austausch zwischen Volk, Medien und Regierung auf fiktiver Basis nachgestellt werden. Zeitweise kam es zu verbalen Angriffen zwischen den Oppositionsparteien NFA und PEF, angeheizt durch inkompatible Fragen der Journalisten bzw. Zuschauer, sowie Aktionskarten, die ausgeteilt wurden. Die Pressekonferenz von der Sitzungsleitungen, bestehend aus zwei Personen, geführt. Trotz der angeregten Diskussionen kam die Pressekonferenz zu keiner zufriedenstellenden Resolution. Noch vielmehr verschärfte sich die innenpolitische Lage und das Konfliktpotenzial verstärkte sich. Trotz eines Vorschlages für eine neue friedenstiftende Koalition konnten sich die Parteien schlussendlich nicht über das Streitkriterium des Versammlungsverbotes und der damit verbundenen Unterdrückung der Langzehigen einig werden.
Mit diesem Impuls werden wir im Verlauf der Projektwoche das Thema Demokratie und Akzeptanz mit Hilfe von Teilprojektgruppen tiefer durchdringen und auf verschiedenen Ebenen erschließen.