4. Tag: Das jüdische Viertel Kazimierz

4. Tag: Das jüdische Viertel Kazimierz

An unserem zweiten Tag in Krakau stand eine weitere Stadtführung auf dem Programm. Bei –8 °C (mit bis zu 9 Kleidungsschichten bedeckt) starteten wir an unserem Hotel im jüdischen Viertel der Stadt, welches zu einem der am besten erhaltenen seiner Art in ganz Europa zählt und sich in der Nähe des Stadtzentrums befindet.

Während der Führung wurde uns die Geschichte des Viertels näher gebracht. Dieses wurde einst als eigenständige Satellitenstadt außerhalb der Stadtmauer der mittelalterlichen Stadt Krakaus errichtet, um die Arbeiter des florierenden Ortes unterzubringen. Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde die Satellitenstadt als Viertel in die Stadt Krakau eingegliedert. In besagtem Gebiet sah man den Einfluss der jüdischen Kultur. Neben zahlreichen Cafés und Innenhöfen jüdischer Häuser gibt es sieben Synagogen, von denen immer noch drei genutzt werden. Es lässt sich aber auch eine gewisse Diskriminierung und Herabsetzung der Juden erkennen, die sich in Form von einem niedrigeren Lebensstandard und Repression gegenüber der Ausübung der jüdischen Religion und Kultur äußert. So durften beispielsweise Synagogen eine gewisse Größe nicht überschreiten, damit sie nicht in Konkurrenz mit den christlichen Kirchen treten konnten. Eine Ausnahme bildet die Isaak-Synagoge, die von Isaak Jakubowicz, dem Schatzmeister des damaligen polnischen Königs, gestiftet und mit einer Sondergenehmigung erbaut wurde. Sie bildete die letzte Station unserer Führung im jüdischen Viertel. 

In der Mittagspause hatten wir die Wahl zwischen zahlreichen gemütlichen Cafés und verschiedenen polnischen Streetfood-Märkten, die sich alle im jüdischen Viertel mischen und Gelegenheit zum Aufwärmen boten.

Nachdem wir die Weichsel gut gestärkt überquert hatten, erreichten wir das ehemalige Ghetto, das von den Nationalsozialisten beschönigend als „jüdischer Wohnbezirk“ bezeichnet wurde und durch seine Lage auf der anderen Seite des Flusses den Abstand der Juden zum Stadtzentrum vergrößerte. Zwischen 1941 und 1943 lebten hier fast 17.000 Juden unter unmenschlichen Bedingungen in Isolation. Bereits im November 1942 wurden rund 10.000 Menschen in das Vernichtungslager Bełżec deportiert. Einige Monate später folgte eine zweite Deportationswelle, in der nochmals mehr als 5.000 Juden in die Vernichtungslager verschleppt wurden. Zur Erinnerung an die Verschleppten befindet sich auf dem Plac Bohatrow Getta, dem Zentrum des Ghettos, ein Mahnmal, dargestellt durch verschiedene Plastiken in Form von Stühlen. 

Von dort aus begaben wir uns zu unserer letzten Station, dem Gelände der ehemaligen Fabrik von Oskar Schindler, einem sogenannten „Gerechten“. Hier bewahrte er im Zweiten Weltkrieg etwa 1.200 Juden vor der Deportation, indem er sie bei den Nationalsozialisten zur Arbeit in der Fabrik anforderte. Die Fabrik wurde zu einem Museum umgestaltet, in dem uns die Geschichte der Juden in Krakau anhand einer interaktiven Ausstellung, die sich auf mehrere Räume verteilt, näher gebracht wurde. Das Schicksal der Juden in der Zeit des deutschen Überfalls, der Deportationen und der Nachkriegszeit wird hier eindrucksvoll mit vielen Bildern, Texten und Filmen geschildert. 

Nach dieser sehr erkenntnisreichen Führung hatten wir den Rest des Tages zur freien Verfügung. Abends ließ ein Teil der Gruppe den Tag mit den beiden betreuenden Lehrkräften bei einem gemütlichen Abendessen mit jüdischer Musik ausklingen.

 

Felix Kliesrath, Felix Linden, Philipp Rompf