5. Tag: Breslau/ Wrocław
Nach einem stärkenden Frühstück im Hotel ging es zunächst um 8:30 Uhr zu Fuß zum Bus, da dieser nicht unmittelbar vor dem Hotel halten konnte. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, die Schönheit Krakóws ein letztes Mal zu genießen. Pünktlich um 9:00 Uhr fuhren wir in Richtung Wrocław ab. Dank unseres Busfahrers Thomas erreichten wir um 12:20 Uhr planmäßig das Hotel in Wrocław. Zwischen unserer Ankunft und dem Beginn der Stadtführung um 14:00 Uhr, die den Schwerpunkt dieses Tages darstellte, hatten wir etwas Zeit zur freien Verfügung. So konnten wir uns verpflegen oder einfach ausruhen, bevor wir Wrocław kennenlernten.
Unser Tourguide Norbert Kulpinski erwartete uns dann um 14:00 Uhr vor unserem Hotel, von welchem wir uns schnell entfernten.
Unmittelbar nach Beginn wurde uns durch das Zitat von Tucholsky: „Der richtige Berliner stammt aus Breslau“ , klar, dass auch viele geschichtsträchtige Deutsche hier ihre Wurzeln finden. So reihen sich neben Namen der preußischen Geschichte wie Friedrich der Große auch die Namen von 13 deutschen Nobelpreisträgern und vielen weiteren deutschen Intelle ktuellen.
In Folge des Zweiten Weltkriegs wurden fast 600.000 Deutsche aus Breslau vertrieben oder sind geflohen. Obwohl viele Denkmäler und Gebäude zerstört und Straßennamen, sogar der Name der Stadt selbst, umbenannt wurden, ist die tiefe Verbundenheit mit Deutschland und seiner Geschichte immer noch spürbar. So passierten wir zunächst das „Denkmal der anonymen Passanten“, welches sich auch auf die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem jedoch auf den Wandel der polnischen Gesellschaft während des Kommunismus und der Zeit des Kriegsrechts 1981-1983, bezieht.
Eine offensichtliche Besonderheit der Stadt Wrocław, die sich uns ab diesem Punkt offenbarte, sind die ca. 1200 kleinen Zwergfiguren in verschiedenen Posen, die überall in der Stadt verstreut sind. Sie fanden ihren Ursprung in den Demonstrationen der „Orangenen Alternative" (Pomarańczowa Alternatywa) während der Zeit des Kriegsrechts 1981-1983, bei denen sowohl Zwergenfiguren und Zwergengemälde als auch tatsächliche Zwergenmützen eine wichtige Rolle in dem friedlichen Widerstand spielten. Heute sind die Zwerge ein Symbol für Freiheit und Widerstand, gleichzeitig aber auch Alleinstellungsmerkmal und Touristenattrakion. So begleiteten uns die kleinen polnischen Freunde mit Zipfelmützen den ganzen Stadtrundgang.
Vorbei an alter, preußischer Architektur, dem alten Theater, der modernen Philharmonie, an der wir ein Denkmal des Nobelpreisträgers Max Born entdeckten, und dem alten jüdischen Viertel inklusive Synagoge, trafen wir auf ein weiteres Denkmal – der sogenannte „Kristallplanet“, welcher die Einigkeit der Welt trotz religiöser und kultureller Unterschiede unterstreichen soll. Dieser steht im Viertel der „Vier Tempel“, ein Ort an dem eine katholische, eine evangelische und eine orthodoxe Kirche, sowie eine Synagoge unmittelbar nebeneinander stehen.
Anschließend überquerten wir den Marktplatz „Großer Ring“ (Rynek) und betraten die Kirche der Heiligen Elisabeth. Hier bekamen wir neben der bereits gewohnten Schönheit der Kirchen auch die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit Polens in Form von Kirchenfenstern zu sehen.
Außerdem zeigte uns Herr Kulpinski nochmal die Bedeutsamkeit der Stadt für die moderne deutsche Geschichte anhand des gebürtigen Breslauers und Theologen Dietrich Bonhoeffer auf, welcher sich während des Zweiten Weltkrieges gegen das NS-Regime stellte und letztendlich von diesem ermordet wurde.
Wir verließen die Kirche und bogen in die Fleischergasse ein, in der ein weiteres Denkmal auf uns wartete. Hierbei handelte es sich um verschiedene Tiere aus Messing mit einer dazugehörigen Tafel, auf der steht:
„Zu Ehren der geschlachteten Tiere — die Konsumenten“.
Vorbei an weiterer preußischer Architektur legten wir schlussendlich eine kurze, aber nötige, Pause in einer Markthalle ein. Anschließend informierte uns Herr Kulpinski im Weitergehen über die vor Kurzem aufgrund ihres Gewichts entfernten Liebesschlösser an der Dombrücke. So führte die Entfernung der Schlösser zur „Steigerung der Scheidungsrate in ganz Wrocław“.
Auf der anderen Seite der Brücke betraten wir den „kleinen Vatikan“, eine Ansammlung von Klöstern und geistlichen Gebäuden um den Breslauer Dom herum, den wir dann auch besichtigten.
Auf dem Rückweg zum alten Rathaus an dem Marktplatz „Großer Ring“ (Rynek) kamen wir sowohl am Nachtwächter vorbei, der gerade die 99 Gaslampen im „kleinen Vatikan“ entzündete, als auch dem Denkmal von Kardinal Bolesław Kominek, welcher 1965 die Annäherung an Deutschland mit dem Worten „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ suchte.
An den letzten paar Zwergen vorbei, erreichten wir das alte Rathaus, vor dem der städtische Pranger steht, an welchem „sich jetzt auch Verliebte treffen… die Zeiten ändern sich.“
Letztendlich bekamen wir durch die Stadtführung ein gutes Bild von einer wundervollen polnischen Stadt mit viel deutscher Geschichte. Nicht wahr?
Christian Samtleben, Benjamin Schmitz, Vasilije Zebić