6. Tag: Kreisau und Schweidnitz
An unserem letzten Tag besichtigten wir die Friedenskirche in Schweidnitz und fuhren anschließend weiter nach Kreisau, wo wir eine Führung durch den Landsitz von Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke erhielten. Abschließend nahmen wir an einem inspirierenden Workshop teil, der sich mit den Themen Zivilcourage und Widerstand auseinandersetzte.
Die im Jahre 1657 fertiggestellte Friedenskirche ist eine prunkvolle protestantische Kirche, die ihren Ursprung im Westfälischen Frieden 1648 fand. Da die Bestimmungen des Friedensvertrags die Religionsfreiheit der Protestanten einschränkte, galt die Kirche zu dieser als eine Ausnahme. Durch die Gottesdienste bot sich Menschen aus verschiedenen Konfessionen die Möglichkeit, sich im Glauben zu vereinen. Etwa 300 Jahre später wurde schließlich auch die Orgel an das restliche imposante Bild der Kirche angepasst und erneuert. Die Kirche gilt mit 6.000 verbauten Eichen als größte Holzkirche Europas und bietet Platz für ca. 7.500 Gläubige, die den Gottesdienst von Emporen aus verfolgen können. Jeder Platz wurde nach gesellschaftlichem Stand als Erbgut einer Familie zugeteilt. In der Kirche befinden sich 8.000 alte Schriftstücke, von diesen ist die Bibel aus dem Jahr 1630 das älteste literarische Werk. Basierend auf ihrer außergewöhnlichen Bauweise wurde die Kirche als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet.
Nach der Besichtigung setzten wir unsere Reise nach Kreisau zum Landsitz des Grafen von Moltke und dem Zentrum der Widerstandsgruppe „Kreisauer Kreis“ fort. Dort erwartete uns eine Führung über das Gelände des Anwesens des Grafen Helmut James von Moltke, einem der zwei Gründerväter der Widerstandsgruppe. Der „Kreisauer Kreis“ umfasste etwa 20 Mitglieder, die eine Opposition gegen das NS-Regime stellten. Sie agierten aus einer Grundüberzeugung, die auf einem rechtsstaatlichen System beruhte, heraus. Unter anderem arbeitete die Gruppe aus dem Untergrund an dem Entwurf eines alternativen Staatssystems während und noch nach der NS-Zeit. Der „Kreisauer Kreis“ wirkte in Zusammenarbeit mit anderen Widerstandsgruppen. 1944 wurden nach dem misslungenen Attentat auf Hitler einige Mitglieder ausfindig gemacht und wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.
Viele Unterlagen sind über den Krieg hinaus erhalten geblieben, da von Moltkes Frau diese versteckt hatte. Die Gebäude des Landsitzes wurden im Laufe der Jahre mehrmals umfunktioniert und letztlich zu einer internationalen Begegnungsstätte umfunktioniert. Dazu trug im November 1989 auch der Besuch des damaligen Bundeskanzlers der BRD Helmut Kohl während einer Versöhnungsmesse und dem kommunistisch geprägten Polen bei. Symbolisch für die neu entstehenden Beziehungen und die angestrebte Akzeptanz der beiden Nationen war ein Handschlag Kohls mit dem polnischen Premierminister Tadeusz Mazowiecki an jenem Tag. Auf dem Anwesen kann man außerdem einen Teil der Berliner Mauer besichtigen.
Nach kurzer Pause startete der Workshop zum Thema Zivilcourage und Widerstand. Als Einführung in den Workshop diskutierten wir vorerst die allgemeinen Begriffe „Zivilcourage“ und „aktiver und passiver Widerstand“. Im Folgenden wurden die gerade geklärten Begriffe beispielhaft vertieft, indem ein Bild einer Gruppe, die kollektiv den Hitlergruß ausführten, analysiert wurde. Dabei stach uns ein Mann ins Auge, der sich aktiv besagter Gruppendynamik verweigerte. Außerdem fiel auf, dass einige andere Personen nicht überzeugt wirkten, sich aber dennoch der Gruppe anschlossen.
Anschließend wurden wir in Kleingruppen eingeteilt, um uns mit verschiedenen Formen des Widerstands auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse wurden danach im Plenum vorgestellt und diskutiert. Es wurden große Organisationen wie der im Untergrund agierende „Polnische Widerstand“, der zentral von London aus koordiniert wurde, aufgegriffen. Gleichzeitig wurden auch einige Beispiele der Zivilcourage anhand einzelner Persönlichkeiten wie Ruth Andreas-Friedrich behandelt.
Basierend auf unseren gewonnenen Erkenntnissen entwickelten wir ein Vier-Stufen-Modell zum Thema Widerstand. Dieses Modell zeigt an, ob bei einer Art von Widerstand eher generelle oder partielle Kritik am System ausgeübt wird. Weitergehend unterscheidet man, ob die Handlungen eher in der Öffentlichkeit stattfinden oder im privaten Handlungsraum ausgetragen werden.
Nach Besprechung und Diskussion benannter Punkte, sollten wir nochmal in den Kleingruppen darüber nachdenken, in welchen Ländern es heutzutage noch diese Arten von Widerstand gibt. Beispiele dafür sind ein aufgrund von wachsender Unzufriedenheit mit der Regierung gestarteter Aufstand in Syrien und ein Putschversuch gegen den türkischen Präsidenten Erdogan.
Nach dem Workshop begaben wir uns auf die Heimfahrt nach Breslau. Später ließen die beiden Kurse die Gedenkstättenfahrt in einem polnischen Restaurant ausklingen.
Ole Eriksen, Ben Gensmann, Erik Weingart