Europa der Klöster

Vom Zu- und Hinhören - ein Gesprächskonzert 

„Es ist wichtig, einander zuzuhören. Es ist der Schlüssel für Frieden und Gerechtigkeit. Und das habt ihr heute morgen hier gemacht.“ Das Lob von Professor Holger Zaborowski und den drei jungen Musikern auf dem Podest galt den Oberstufenschüler*innen des Johannes-Gymnasiums, die ein „Impulskonzert“ zum Thema „Europa der Klöster“ aufmerksam verfolgt hatten. Mit Musik, die so gar nichts mit den Playlists junger Menschen zu tun hat, auf Instrumenten, die die meisten der Johnny-Schüler*innen eher im Museum verorten und Impulsen, die einen großen philosophischen Bogen von Sokrates über den Einfluss der benediktinischen Klöster bis zu den derzeitigen Krisen und Katastrophen schlugen.

Dieses Gesprächskonzert war Teil der Veranstaltungsreihe DENKBARES® zu den „Koordinaten Europas“, die der Philosoph Professor Zaborowski 2019 gemeinsam mit Martin Ramb (Kulturbeauftragter des Bistums Limburg) angestoßen hatte. In diesem Jahr drehte sich das inzwischen sehr populäre Format um „Ein unendlicher Faden - Europa der Klöster“. Mit dabei sind immer junge Künstler aus Europa, die die gemeinsamen Werte unterstützen und mit ihrer Kunst schließlich weitertragen. Passender hätten die Melodien und Gesänge aus den Carmina Burata, der heiligen Hildegard, aus Kreta und vom schwarzen Meer, aber auch von Johann Sebastian Bach, Claudia Monteverdi oder Igor Stravinsky nicht präsentiert werden können als von den zwei jungen Griechinnen Bilini Moraiti - mit betörendem Gesang, mit Fidel, Saz und Trommel - und Athanasia Teliou - Fidel, Alt- und Bass Viola da Gamba - und dem Violinisten Francesco della Volta.

„Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung: Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen“. So hatte Robert Schuman, einer der Gründerväter der Europäischen Union, am 09. Mai 1950 konstatiert. Für Holger Zaborowski, derzeit Professor für Theologie an der Universität Erfurt, ist der Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit wichtig, der Wissenstransfer ist ein zentraler Dreh- und Angelpunkt im Wirken des Philosophen. Und so beginnen die Impulse mit der Bedeutung der Klöster und dem dort anzusiedelnden Dreiklang von „Agrikultur, Kultur und Kult“ oder übersetzt „Arbeit, Muße und Gottesdienst“. „Heute sind Effizienz und Produktivität das Maß der Dinge“, konstatiert er und lenkt den Blick auf die klösterliche Tradition: „Arbeit ist nötig, aber nicht alles. Etwas tun um seiner selbst willen, ohne Rechtfertigung. Einen Feierabend oder ein Wochenende sind ebenso wichtig.“ Eine weitere zentrale Wurzel Europas – und heute wichtiger denn je - liegt ebenfalls im klösterlichen Kontext: die Caritas, die Fürsorge und Nächstenliebe.

Vernunft, Gewissen, Wahrheit, Gerechtigkeit – die Impulse schlagen den Bogen von Sokrates über Kant bis in die Gegenwart. Sie laden ein, über Demokratie als „Herrschaft des Volkes im Sinne des Gemeinwohls, für das sich alle einsetzen müssen“ und der Aufforderung der Aufklärung, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, nachzudenken. Bei all den Errungenschaften bleiben aber die Brüche, Disharmonien und Katastrophen nicht außen vor. Und am Ende darf der Blick auf die Zukunft Europas nicht fehlen. „Es geht immer um Haltungen“, ist sich Zaborowski sicher: „Es lohnt sich, für Frieden, Gerechtigkeit und die Wahrheit einzutreten.“ An dieser Stelle haken die Schüler*innen nach: „Was heißt denn Gerechtigkeit? Ist Gerechtigkeit überhaupt möglich?“ Zaborowski und die Musiker*innen sind sich einig: „Es ist immer ein Ringen. Sich einsetzen für Gerechtigkeit: Das kann man nicht delegieren. Jeder muss sich einbringen.“ Und dabei ist nichts wichtiger, als dem anderen zuzuhören.  (mrk)